Zahnarzt, Verfassungsschutz und Kastelruther Spatzen
Früh am Morgen im Warteraum beim
Zahnarzt. Schleifgeräusche dringen durch die angelehnte Tür, als wäre ein
Schlosser mit dem Formen einer Metallskulptur beschäftigt. Neben mir sitzt
einer, der äußerst angespannt wirkt, sich mit beiden Händen an der Lehne des Stuhls
festhält, sichtlich nervös und kurzatmig, wie ein Passagier mit Flugangst während
des Startvorgangs, oder wie jemand, bei dem sich ein epileptischer Anfall
ankündigt. Ich werde vor ihm aufgerufen. Nach meiner Behandlung ist der Stuhl
leer, entweder schwitzt er gerade im zweiten Raum, oder ihn hat vorzeitig der
Mut verlassen, überlege ich. Später, kurz vor Mittag, ein Treffen. Mit dabei ein
Zeitgenosse, der Uniformen liebt, an Schießübungen teilnimmt und in seiner
Freizeit Fahnen schwenkt, also Teil einer Gruppierung ist, die anderswo vom
Verfassungsschutz beobachtet wird. Nach dem dritten Glas Lugana und diversen
(vergeblichen) Erklärungsversuchen, dass Ausgrenzen
und Sich-Verschließen mit Bewahren so wenig zu tun hat, wie die
Kastelruther Spatzen mit Musik, verabschieden wir uns.