schwarzärgern
Innsbruck, Samstagnachmittag.
Café Central. Allgemeines Geschwätz als konstante, angenehme Geräuschkulisse,
dass keine Musik gespielt wird, merkt man nur, wenn man darauf achtet. Der
Kellner, der mich bedient, wirkt aufgewühlt, Schweißperlen glitzern auf seiner
Stirn. Ich schaue ihm nach. Er scheint Streit mit einem Kollegen zu haben, ich
bilde mir ein, sie tauschen kampfbereite Blicke, als sie sich begegnen, auf diese
Entfernung erkenne ich nicht viel. Ein Chamäleon, fällt mir ein, kann auf bis zu
einen Kilometer weit scharf sehen. Dereinst war es das schnellste Wesen auf
Erden, erzählt eine alte afrikanische Legende, bis es im ungestümen Lauf auf
Gottes Sohn trat, seither schreitet es langsam voran, als überlege es sich
jeden Schritt. Der schnelle Gang des aufgeregten Kellners ist nicht wohl
überlegt, ein Glas fällt von seinem Tablett. Man holt ihn zur Seite, schimpft
auf ihn ein. Kurz sieht es danach aus, als wolle er reagieren, als hole er
Luft, um etwas zu sagen, oder um seine Hände zu erheben, wäre er ein Chamäleon,
würde er sich jetzt schwarz färben. Es ist still im Café, die vielen Gespräche sind
verstummt, die Geschichten, die man sich gerade noch erzählte, kurzzeitig vergessen.
Dann zieht der Kellner die Schürze aus, schmeißt sie zu Boden und verschwindet
in den hinteren Bereich der Bar. Die Betriebsamkeit im Café kehrt zurück,
Gläser und Tassen schlagen aneinander, die Stimmen werden wieder lauter. Der
Kellner bleibt verschwunden, vielleicht kehrt er nicht wieder zurück an seinen
Arbeitsplatz. Ich stelle ihn mir nun grün vor, oder gelb, Farben, mit denen ein
Chamäleon seine neutrale Stimmung ausdrückt. Mit einem Lächeln, das mein
Tischnachbar nicht zu deuten vermag und ihn mit einem fragenden Blick zurücklässt,
wende ich mich wieder meinen Texten zu.