Gebetsstuhl
Padua, es ist
spät. Suche nach einem zentrumsnahen Hotel mit Parkmöglichkeit. Betrete ein
Gebäude mit der Aufschrift Hotel und frage an der Rezeption nach einem freien
Zimmer. Begebe mich in den ersten Stock, schaue auf die Zimmernummern. Die
vielen Kruzifixe und Heiligenbilder, die überdimensional an den Wänden der
langen Gänge hängen, vergegenwärtigen mir plötzlich die Bedeutung des Hotelnamens
„Casa del Pellegrino“, was, übersetzt, „Haus des Pilgers“ heißt, bin erstaunt, diesen
Umstand bis jetzt nicht bedacht zu haben. Schnellen Schrittes marschiere ich an
drei Gebetsstühlen vorbei, ohne mich hinzuknien. Später, geduscht, todmüde und
im Bett liegend, versuche ich meine Gedanken an den kleinen Nagel zu
verdrängen, der die Last des Metalljesus oberhalb meines Kopfes möglicherweise nicht
zu halten vermag. Zweifelsohne ein spektakuläres Ende, überlege ich schmunzelnd
und denke mir mehr oder minder passende Schlagzeilen aus. Vom gefliesten Gang
drängen währenddessen selbst die Geräusche gummibesohlter Turnschuhe an mein
Ohr, mir ist, als würde jemand um mein Bett herumpilgern. Als mein
Zimmernachbar niest, blicke ich ängstlich nach oben, weil es mir vorkommt, als
würde die Wand, die so dünn ist wie die Blätter eines Gebetsbuches, erzittern. Erst
am nächsten Morgen im Frühstücksraum, umgeben von zumeist älteren,
joghurtessenden oder müslilöffelnden Paaren, die sich anschweigen und irgendwie
verloren oder nur miesgelaunt auf Stadtpläne starren oder im Kirchenführer lesen,
finde ich die spätabendlichen Erlebnisse im Nachhinein betrachtet aufheiternd. Genieße
die Morgensonne, die versöhnlich in den Raum strahlt und meine Füße wärmt. Die
eine Nacht, die mir noch bevorsteht, werde ich auch noch überleben.