Beziehungsstatus? Es ist kompliziert. Von Tilman Rammstedt (zeit.de)
Monogamie
Man
ist ein Leben lang mit demselben Partner zusammen und dabei unglücklich.
Manchmal macht man Tanzkurse.
Serielle Monogamie
Man
ist erst mit dem einen Partner zusammen und dabei unglücklich und dann mit
einem anderen, mit dem man kurz hofft, glücklich zu werden, bevor man dann
wieder unglücklich ist. Und so weiter. Zwischendurch ruft man den Partner an,
mit dem man am wenigsten unglücklich war, und sagt, dass man einen Riesenfehler
gemacht hat. Das ist ein Riesenfehler.
Offene Beziehung
Man
ist unglücklich mit einem Partner zusammen und darf dafür mit anderen schlafen,
was selten passiert und wenn, macht es einen sehr unglücklich. Der Partner
versucht einen dann zu trösten, schaut dabei aber komisch.
Fernbeziehung
Man
ist die Woche über alleine und unglücklich, dann fährt man sehr weit, um
woanders mit dem Partner unglücklich zu sein. Dann fährt man wieder zurück.
Bigamie
Man
ist mit zwei Partnern zusammen und mit beiden unglücklich, wenn auch aus
unterschiedlichen Gründen. Das findet man ein paar Minuten lang interessant,
bis einem auffällt, dass es keinen großen Unterschied macht. Zwei Tanzkurse, dienstags
und freitags. Mittwochs wirft man irgendwas gegen die Wand, was manchmal
zerspringt.
Ménage-à-trois
Man
liebt sich zu dritt und ist dabei sehr unglücklich, weil die anderen beiden den
Tanzkurs ohne einen machen, obwohl sie behaupten, dass sie einen auch gefragt
hätten, aber daran würde man sich ja wohl erinnern. Das Ganze riecht eher nach
billiger Retourkutsche wegen des verunglückten Tandemurlaubs damals.
Außerdem
unpraktisch: Auf Fertigkartoffelbreipackungen steht zwar, dass es angeblich
drei Portionen sind, es reicht aber meistens nur für zwei.
Polyamorie
Man
ist mit vielen Partnern auf unterschiedliche Weise zusammen und mit allen
unglücklich, sodass man denkt, noch mehr Partner zu brauchen, weil man
schließlich noch mehr Bedürfnisse hat, bis man irgendwann beschließt, dass man
mal eine Zeit "nur für sich" benötigt, um herauszufinden, "wer
man wirklich ist", und dann reist man alleine für eine Woche irgendwohin,
um "in Ruhe über sich nachzudenken", ist allerdings schon nach fünf
Minuten damit fertig, weil man viel weniger komplex ist, als man dachte. Den
Rest der Woche schaut man sehr unglücklich in Gewässer oder knapp daran vorbei.
Enthaltsamkeit
Man
hat keinerlei Partner und keinerlei Sex und ist deshalb aus anderen Gründen
unglücklich. Also klar, Tanzkurs. Immer Tanzkurs. Salsa, Tango, afrikanisch,
alles. Hilft ja nix.
Narzissmus
Man
liebt sich selbst und ist dabei unglücklich, weil man sich nie von hinten
sieht, was einen misstrauisch macht, weil man nicht weiß, was man da
anscheinend vor sich selbst verbirgt, auch wenn man sich versichert, dass es da
nichts gebe, aber das Misstrauen verschwindet nie ganz, und man fängt an,
heimlich seine eigenen SMS und Internetverläufe zu lesen, doch je weniger man
findet, desto misstrauischer wird man, und desto verletzender wird das
Misstrauen, bis man irgendwann beschließt, dass man etwas Besseres verdient
hätte als sich selbst. Dann nickt man traurig und versichert sich, mit sich
befreundet zu bleiben, auch wenn man weiß, dass das gelogen ist. Von Tanzkursen
ist abzuraten. Es sieht albern aus, mit sich selbst zu tanzen.
Serieller Narzissmus
Man
liebt sich selbst und ist dabei unglücklich, also verlässt man sich und trifft
jemand Neues, mit dem man denkt, dass es nun endlich anders wird, aber dann
stellt man fest, dass man es doch nur wieder selber ist, nur halt mit
angeklebtem Schnurrbart, der einen sehr unglücklich macht. Bitte trotzdem keine
Tanzkurse, siehe oben.
Zoophilie
Man
liebt Tiere und ist dabei verständlicherweise sehr unglücklich. Die Tiere wahrscheinlich
noch mehr. Ausnahme bilden Regenwürmer.
Botanophilie
Man
liebt eine Pflanze. Man liebt sie sehr. Man will den Rest des Lebens mit ihr
verbringen. Dann kommt der Winter und sie stirbt. Man ist sehr unglücklich.
Theophilie
Man
liebt Gott und ist sehr unglücklich darüber, dass er nie zurückruft, oder wenn,
dann immer nur symbolisch und das war am Anfang ja noch irgendwie romantisch,
aber langsam will man mal ein klares Bekenntnis. Außerdem liebt Gott alle
Menschen gleich, was eine tolle Eigenschaft ist, aber in einer Beziehung
wünscht man sich halt doch irgendwie der special one zu sein, da kann
man sich nicht helfen. Man meldet sich zum Tanzkurs an, und wer wieder nicht
auftaucht, ist Gott. Oder halt nur symbolisch. Super.
Polytheophilie
Man
liebt viele Götter. Auch die seltsamen mit Hämmern oder Rüsseln. Denn hey:
Immerhin sind es Götter. Unglücklich ist man trotzdem, weil die meisten von
ihnen beruflich sehr eingespannt sind. Außerdem verlangen viele davon andauernd
Opfer und man hat beileibe schon genug geopfert im Leben für andere
Beziehungen. (Ja, Claudia, fühl dich ruhig angesprochen.)
Nekrophilie
Man
liebt Tote. Weil die einem in Ruhe zuhören und nicht ständig Tanzkurse machen
wollen. Außerdem sind viele davon sehr gut angezogen. Allerdings sind sie halt
tot, was einen etwas unglücklich macht.
Choreophilie
Man
liebt Tanzkurse. Vielleicht liebt man sie etwas mehr als angemessen, aber das
ist im Vergleich sehr okay. Alles ist ziemlich gut. Und ziemlich reicht
meistens.