am liebsten schreib ich in Moll

Ach, wie glücklich wir uns doch schätzen können. Jeder hier hat gefühlt tausend Freunde, irgendwo findet immer ein Fest statt, und überhaupt ist permanent Urlaubszeit. Schönste Strände mit durchsichtig türkisklarem Wasser, Berggipfel, von denen aus man ganze Täler überblicken kann. Natürlich scheint immer die Sonne und das Lachen wirkt nicht einmal aufgesetzt. Das Leben ist so leicht. Und schön ist es sowieso. Sogar die Katzen und Hunde sehen auf den Fotos glücklich aus (dabei kennen sie Glück gar nicht, aber das ist ja wieder eine andere Geschichte).

Ich fühle mich manchmal zerrissen, zweifle und hadere, hinterfrage so vieles. Es gibt Tage, da tobt ein Sturm in mir. Vielleicht schreibe ich deshalb am liebsten in Moll, weil ich mich dann den Dingen am ehesten annähere. Ich begegne Menschen, die an ihren inneren Krisen zu zerbrechen drohen. Ich höre von Seitensprüngen, während nach außen hin Eheglück gespielt wird. Glaube Haltlose zu erkennen, von Schicksalsschlägen Gezeichnete. Beobachte Hilfesuchende, deren Schreie stumm sind und doch so laut, man sieht es an ihren Augen. Ich habe Demütigungen und Kränkungen erfahren, die man nicht so einfach wegwischen und erst recht nicht vergessen kann. Auch sie werden Teil von einem, wie alles, was man erlebt. Am Ende sind wir die Summe all dessen, was wir erfahren, aber nicht zuletzt auch das, was wir daraus machen.

Das Leben kann schön sein. Man soll das zelebrieren. Das Leben kann aber auch schwer zu ertragen sein, zuweilen ist es nichts weniger als ermüdend, traurig, schmerzhaft. Auch darüber kann man reden, darf man schreiben, soll man berichten. Es macht nämlich nichts aus, diese andere Seite zu zeigen, die eigene Verwundbarkeit. Vielleicht macht es uns menschlicher. Auf jeden Fall ehrlicher. Und vielleicht fühlt es sich dann auch schon ein klein wenig besser an.


 

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