Text vom Nichtstun. Und was das mit dem Konsum zu tun hat.
Heute hat sich
nichts zugetragen. Nichts, worüber ich berichten könnte. Außer über den Zustand
des Nichtstun selbst, und darüber, welche Gedanken einem (mir) dabei durch den
Kopf rauschen. Das Nichtstun ist im Grunde ein eigenartiges Empfinden, bei dem es
einer gewissen Anstrengung bedarf, die Unruhe, die in einem aufbegehrt, nicht
zu beachten oder ihr Herr zu werden. Aus der Gewohnheit heraus, sich ständig mit
irgendetwas zu beschäftigen. Daran denke ich, während ich versuche, Ballast
abzuwerfen, durch das bewusste Wahrnehmen der Atmung. Davon liest man ja
ständig. Sich auf eine andere Ebene begeben, das Körperliche spüren. Vermutlich
sollte ich noch eine Yoga-Übung einfließen lassen, aber all das, stelle ich
fest, ist ja wieder das Gegenteil von Nichtstun. Also lass ich es bleiben und
atme aus, was eher nach einem Seufzer klingt, wobei mir bewusst wird, dass die
von mir vorgesehene Zeit für das Nichtstun sich bald dem Ende neigt. Nachher
wartet ein Termin. Plötzlich fühlt es sich so an, als bestimme dieser über
mich, nicht ich über ihn. Bemüht, Ruhe einkehren zu lassen, geschieht das
Gegenteil. Immer neue Gedanken überschwemmen meinen Kopf: Der Mensch verfolgt
das Ziel, eine Leistung zu erbringen, aus der ein Nutzen generiert wird. Läuft
ab wie ein Programm. Letztendlich verdient er damit Geld (meistens), das er ausgibt,
um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Die Grundlage für jenen Kreislauf, von dem
behauptet wird, er halte alles am Laufen, was auch immer das sein mag, dieses alles. Heißt, wir verdienen Geld, um es
für Dinge auszugeben, für deren Produktion wir Geld bekommen. Oder wir erbringen
eine Dienstleistung für Menschen, die damit ihr Geld erwirtschaften, für andere
eine Dienstleistung zu erbringen oder etwas zu produzieren. Würden folglich alle
augenblicklich damit aufhören, etwas zu produzieren oder irgendwelche
Leistungen zu erbringen, gäbe es nichts mehr, was man für sein Geld bekommen
würde. Wobei es andererseits sowieso kein Geld mehr gäbe, weil ja keine
Leistung erbracht werden würde. Spätestens da fragt man sich, welcher Sinn dem
Ganzen beizumessen ist. Weil einem die Spirale der Abhängigkeit plötzlich
bewusst wird, die man selbst ankurbelt, während der tragische Untertitel vor
dem inneren Auge wie ein Filmtrailer vorbeischwirrt: Ein Leben für den Konsum. Als
Produzenten des Streifens fungieren seine übelsten Mittäter und direkt
Interessierte: Die Werbung und das Marketing. Die Branche der Verführung
sozusagen, mit ihren Einflüsterern und ihrer an Hypnose erinnernden Strategie, die
in letzter Konsequenz Abhängigkeit schaffen soll. Einen bedeutenden Teil der
Lebenszeit verbringt man mit der Arbeit, also einer den Regeln der
Wertschöpfung gehorchenden Tätigkeit. Einen nicht unbedeutenden Rest mit dem
Ausgeben des Verdienten. Es drängt sich an dieser Stelle die Frage auf, ob das
Nichtstun vielleicht deshalb nicht gelingen will. Weil das Programm es nicht vorsieht.
Wir sind, was wir leisten. Wir sind aber auch, was wir konsumieren. Kauf dich
glücklich, das hab ich neulich gelesen. Sind wir so
gepolt? Ist das nicht das Ende unserer zivilisierten Entwicklung?
Andererseits: Weniger ist der neue Luxus. Es wird immer hipper, mit Dingen anzugeben, die man nicht hat. Fernseher zum
Beispiel, oder das neueste Smartphone. Braucht man nicht mehr. Selbst das
Besitzen eines Autos verliert gerade in größeren Städten zunehmend an
Bedeutung. Zu teuer, umweltschädlich sowieso. Als Statussymbol taugt es längst
nicht mehr. Entsteht da gerade eine Gegenbewegung, eine neue Strömung, die sich
aus der Abhängigkeit manövrieren möchte? Oder ist das Weniger-Haben auch nur
ein Trend, dem sich zu unterwerfen schick ist? Ich fliege nicht mehr in Urlaub,
wir haben das gestrichen heuer, der negativen co2 Bilanz wegen. Vielleicht gibt
es wirklich welche, die hinterfragen, ob es nicht anders geht, als mit dem Luxusliner
durch Venedig zu schippern, auf dass das fragile Fundament der Stadt erzittert. Ist der Bewusst-Leben-Kult nur ein schicker
Trend? Was früher verpönt war, ist jetzt salonfähig. Offenbar ein
Geschäftszweig mit steigenden Erlösen, und nicht selten stellt sich im
Nachhinein heraus, dass es keine Besserung, sondern vielleicht sogar eine
Verschlechterung mit sich bringt. Biodiesel, Elektrobatterien und so. Selbst
die Trendwende kommt also nicht ohne jene aus, die daraus Profit schlagen. Was
uns letztendlich fehlt, ist Emanzipation. Die Emanzipation des Konsumenten. Er
muss sich erheben aus seiner unterwürfigen Position, aus den Niederungen der
lähmenden Ablenkungen und verführerischen Scheinwelten. Er ist mächtig. Auch,
wenn er nicht kauft. Die Wahl, ob und wofür das Geld ausgegeben wird, entscheidet
auch darüber, welcher Wert der Produktion, der Herkunft, der Werbung, der
Verpackung, der Nachhaltigkeit und all dem beigemessen wird, was wir für unser
Überleben benötigen. Oder wovon wir glauben, es für unser Überleben zu
benötigen. Und weil ich jetzt weiter muss zu meinem Termin, das Nichtstun also nicht
gelingen will, soll das Tun wenigstens überlegt sein.
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