Ich gründe einen Verein
Für jene wie mich, die keinem
Verein beitreten wollen. Deshalb gibt es auch weder Mitglieder noch Statuten. Und
obwohl es verlockend klingt, verzichten wir auf jede Art von Förderung. Um dem
Bestreben nach Unabhängigkeit gerecht zu werden. Denn Vereine vertreten
meistens auch Ideologien, da versammeln sich Ansichten und Meinungen. Davon distanzieren
wir uns. Strikt. Es gibt auch keine fixen Termine. Treffen werden kurzfristig
mitgeteilt, fünfzehn Minuten vorher. Höchstens. Wobei die Treffpunkte
variieren. Und da man in dieser Zeit nicht immer rechtzeitig da sein kann, darf
man auch zu spät kommen. Man darf überhaupt alles. Und muss nichts. Getrunken
wird, was zufällig da ist. Vielleicht bringt jemand auch etwas zum Essen mit.
Aber Ritual darf das keines sein. Die, die als erste eintreffen, bereiten alles
vor, das Thema zum Beispiel. Anschließend spricht man darüber. Über das Sich-nicht-festlegen-Wollen,
in einer Welt, in der alles wie in Stein gemeißelt scheint. Meinungen zum Beispiel.
Jeder hat eine, aber keiner weiß, woher sie kommt. Je weniger die Meinung mit
Fakten und Argumenten unterlegt ist, desto heftiger wird sie vertreten. Wie
merkwürdig das ist, darüber tauschen wir uns aus. Und auch über die Außenseiter,
die Verrückten, Andersdenkende wie wir, weil sie sich nicht anpassen wollen, Leidende,
weil sie ständig nachdenken. Über alles nachdenken und sich Gedanken machen,
sogar nachts, während andere ruhig schlafen. Das sieht man denen dann an, dass
sie gut geschlafen haben. Uns gelingt das nicht. Schon lange nicht mehr. Das
Spiegelbild verrät das jeden Morgen. Wir schauen schon gar nicht mehr täglich
hinein. Manche haben ihn sogar abgehängt, den Spiegel. Was beim Zähneputzen und
Haarkämmen Probleme bereitet. Aber selbst das erledigt sich von alleine, denn auch
die Haare werden weniger, wie sonst auch alles weniger wird, die Zeit, die
Träume. Größer werden nur die Enttäuschungen, die Lust zur Veränderung aber
auch. Das finden alle gut. Dann teilen wir uns unsere Ängste mit, halten uns an
den Händen, verstehen einander, schwören mit ausufernden Gebärden, immer füreinander
da zu sein, bis einer aufsteht und meint, dass das nicht richtig ist, weil wir uns
ja zu nichts verpflichten wollen. Das drückt die Stimmung, aber nur kurz. Weil
wir sowieso alle immer an uns selbst scheitern. Also passt das wieder. Nachher
gehen wir, ohne uns zu verabschieden. So stell ich mir das vor, mit unserem
Verein. Wir können uns nicht gegenseitig retten und werden die Welt nicht neu
erfinden. Unser Motto, das keines ist, könnte nur sein, dass wir nicht alleine sind
mit unserem Alleinsein.
Wenn kein Verein vereint, verbleibt entkeimte Zeit. Den meisten reicht's vereinzelt, weil es rein verbleicht. Des reinen Seins Beweis erleichtert dein' Verbleib. Mensch, reicht es deinem Fleisch und Geist allein zu zweit?
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