Wenn die Vergänglichkeit greifbar wird



Der Arkadenbogen des alten Friedhofstraktes mit seinen Rissen im Gemäuer und der abblätternden Farbe umrahmt die Gräber, grenzt sie ein, schottet sie ab. Die Erinnerung an die Flüchtigkeit des Lebens wird wachgerufen, selbst die Zweizeiler auf den Grabsteinen zeugen davon. Zwei Zeitangaben, eingraviert auf kaltem Stein, das Datum der Geburt und jenes des Todes, dazwischen das Leben, unberechenbar und im Grunde verdammt kurz. Und der Gedanke: Wie will man leben?
Das Empfinden von Ruhe und Aufgeräumtheit. Die Toten, sie kommen so gut aus miteinander. Genau eine Armlänge entfernt liegen sie da, damit sie sich jederzeit die Hand geben können, während die Lebenden, die vor den Gräbern stehen, sich weiter gegenseitig überbieten mit ihren neuen Mänteln und teuren Grabsteinen und besonderen Blumenverzierungen. Aber den Verstorbenen ist das egal, die haben das überwunden irgendwie, dieses Sich-wichtig-Machen. Denn irgendwann wurden sie alle, die hier liegen, missachtet, falsch verstanden, beleidigt, viel zu wenig vermisst, geliebt, umarmt. Vielleicht wurde um sie getrauert, geweint. und ein letztes Mal wurden sie begleitet. Hierher. Egal, wer sie waren, am Ende und im Tod sind sie nackt wie am Anfang. Und wieder die Frage: Was bleibt?
Hier, am Friedhof. Die Vergänglichkeit ist greifbar. Wieder einmal. Und könnte doch genau deshalb versöhnen, in gewisser Weise. Mit dem Leben. Und vielleicht sogar die Frage beantworten: was machen wir daraus...

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