Sportwettkampf für Kinder
Wie
aufgescheuchte Hühner laufen manche Eltern herum, ihren Kindern hinterher,
rufen Ratschläge, besprechen Taktik, fordern zum Trinken auf. Magnesium,
Traubenzucker, Bananen werden gereicht. Selbst geselle ich mich ja bevorzugt zu
jenen, die eher passiv dem Geschehen beiwohnen, insgeheim die Daumen drücken,
sich vielleicht zu einem geht schon
oder bravo hinreißen lassen. Zugegeben,
das klingt dann eher verhalten, fast versöhnlich, so gar nicht aggressiv und
fordernd wie bei den anderen. Sobald deren Schützlinge an der Reihe sind,
erreicht der Fanatismus nordtribünenähnliche Zustände. Zurufe und Gebärden
übermotivierter Eltern, die ihre eigene verfehlte Lebensverwirklichung durch
den (in diesem Fall sportlichen) Erfolg ihrer Kinder korrigiert sehen wollen, so
die spontane gedankliche Analyse. Sofort finde ich das vorurteilsbehaftet und
einseitig. Währenddessen werden vonseiten der Mein-Kind-ist-das-Beste-Abteilung
vorsichtshalber auch schon erste Erklärungen ausgesprochen, sollte die erhoffte
Platzierung doch nicht erreicht werden: Das fehlende Training, ein
Magen-Darm-Virus, ach, was die Kleinen heute alles leisten müssen. Genau. Wie
einfühlsam, murmle ich vor mich hin, gehe ein paar Schritte weiter und denke an
die älteste Forderung der Philosophie, Wahlspruch der Sieben Weisen, der den
Eingang des antiken Apollontempels zu Delphi schmückte: Gnothi seauton, erkenne
dich selbst. Einfach ist das nicht. Ein Interview mit einem Sporttrainer kommt
mir in den Sinn, der Name des Befragten ist mir entfallen, nicht aber seine
Worte: Nimm einem Kind Aufmerksamkeit und
auch Zuneigung. Gib ihm beides erst, wenn Leistung erbracht wird, Fleiß, aber
auch Erfolg. Es will geliebt werden, wie jeder Mensch. Und deshalb wird das
Kind lernen, alles zu tun, was du forderst, um endlich Liebe zu bekommen. Schlimm
genug, wenn es unbewusst erfolgt. Aber gezielt damit arbeiten? Daran muss ich
denken, als ein Vater seine Tochter wütend ermahnt, so eine schlechte Leistung,
das Training umsonst, was für eine Enttäuschung, schimpft er. Das Mädchen steht
in Tränen aufgelöst da, erschöpft und niedergeschlagen. Tröstende Worte wären
angebrachter. Ungeliebt, denke ich. Man könnte hingehen, sie einfach umarmen, ihr
übers schweißnasse Haar fahren und beruhigende Worte sprechen, vor seinen
Augen. Wie er wohl reagieren würde? Am besten auch ihn in den Arm nehmen, ihn
fest drücken. Vielleicht hat das noch nie jemand gemacht. Ihm gezeigt, dass
auch er geliebt wird. Man könnte ihm sagen, dass er nur deshalb so geworden
ist. Es wäre ein Anfang. Und dann gibt es noch ganz viele andere, deren Lachen,
deren Freude. Und Genugtuung, dass am Ende doch viele einfach nur gerne dabei
sind, sich über die Veranstaltung freuen und über das Zusammensein. Dass am
Ende fast nur die ganz oben am Podest stehen, die fanatisch angeschrien und
angefeuert wurden, ist wohl dem Zufall geschuldet.
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