Beerdigung
Nordtiroler Oberland. B. und ich betreten die
Kirche, kaum Platz zu stehen, das ganze Dorf scheint versammelt. Wir steigen
über die schmale Holztreppe zur Empore, die Luft wird mit jeder Stufe
stickiger. Als wir uns in den engen Holzbänken hinsetzen, treffen uns
neugierige Blicke. Gerade stehen ist nicht möglich, über unseren Köpfen ein
weiteres, aus Holz gezimmertes Stockwerk: die Chortribüne; anstatt aufzustehen,
müssen wir uns hinknien, wenn der Ritus es verlangt. Gegen Ende der Messe fordert
der Pfarrer die versammelte Gemeinde auf, einen Friedensgruß zu geben. Ich drehe
mich zu B., reiche ihr die Hand, wende mich dann zur anderen Seite, werde aber
von meinem Banknachbarn ignoriert, auch sonst dreht sich keiner um. Verwunderung.
Erst nach der Messe, während der Prozession, der ich mit B. an meiner Seite
durchs halbe Dorf folge, fällt mir ein, dass B. die einzige Frau auf der
Chorempore war, dass sie auch jetzt die einzige ist, die dem Sarg folgt,
umgeben von Männern, dass die Frauen erst ganz hinten in der Reihe nachtrotten.
Plötzlich erinnere ich mich, dass in der Kirche links einst nur Frauen saßen,
alle Männer rechts im Kirchenschiff Platz zu nehmen hatten, hier oben auf über
1.250 Mt. Höhe, wird also altes kirchliches Brauchtum noch gelebt. Ich flüstere
B. die neue Erkenntnis ins Ohr, sage, jetzt sei es so oder so zu spät, aus der
Reihe zu treten, da müssen wir jetzt durch. Wissend, weshalb die anderen uns
anstarren, entdecke ich nun den Vorwurf in ihren Blicken, und ihr
Unverständnis. Dass die Berggemeinde aber ihren neuen Pfarrer akzeptiert,
obwohl er Afrikaner ist, lässt schließlich doch hoffen, dass manchmal
entscheidende Dinge sich ändern dürfen, wenn auch sonst alles beim Alten
bleibt.