eines Nachts
Es waren nicht die Geräusche, weswegen
er aufwachte, das Haus besaß ein Eigenleben, immer schon, besonders in Nächten
wie diesen, wo der Wind Äste an die Mauern drückte und die Fensterläden
zuklappten, er war alt, wie das Haus, alt und alleine. So stand er auf, weil er
nicht mehr schlafen konnte und trat auf den Flur hinaus. Plötzlich sah er einen
Lichtkegel im unteren Stock an den Wänden tanzen, er schreckte zurück. Wie automatisch
und ganz leise holte er sein altes Jagdgewehr aus dem Schrank und schlich die
Stiegen hinunter. Unten angekommen vernahm er Schritte, der Holzboden gab bei
jeder Belastung nach. Mit der Flinte im Ansatz folgte er dem Geräusch, ging ums
Eck, schaltete das Licht ein und zielte auf einen jungen Mann, der wie aus dem
Nichts aufgetaucht war, wie auf einer Bühne, wenn der Vorhang zur Seite springt und die Beleuchtung angeht. Während sie sich gegenüberstanden, schwand
die Welt draußen ins Nebensächliche, die Sekunden fühlten sich wie Stunden an. Setzen wir uns, sagte der Alte unerwartet
und deutete auf die alten Polthronen, die vor dem offenen Kamin standen. Der
junge Mann folgte den Anweisungen, seine Bewegungen führte er mit Bedacht aus,
das Gesicht gezeichnet von Anspannung und Unsicherheit, wohingegen der Alte von
einer Ruhe übermannt wurde, die fast schläfrig auf ihn wirkte. Dass die Flinte
nicht geladen war, wusste nur er. Gefällt dir mein Haus, fragte der Alte. Ja,
flüsterte der Mann verlegen, sagte dann aber, nein, eigentlich nicht, was den
Alten zum Lachen brachte. Was daraufhin folgte, war ein Gespräch, nein, mehr ein
Austausch, der von Umständen erzählte, von Lebenslinien, durcheinandergekommene
und verzweigte, von gewählten Abkürzungen und von einem verirrten Wanderer.
Nach einer Stunde, die verflogen war, wie die Wörter und Sätze verflogen waren,
die nun irgendwo im Raum schwebten und nicht mehr greifbar waren, stand der
junge Mann auf, verweilte kurz vor dem Alten, vielleicht, weil er nachdachte oder noch
etwas sagen wollte, drehte sich schließlich doch wortlos um und ging. Der Alte blieb sitzen, nun
alleine mit seiner Flinte, die längst am Boden neben ihm lag und mit dem
Gedanken befasst, dass manchmal Dinge geschehen, die man nicht begreift und
dass der Mensch nichts anderes ist, als eine Summe all dessen, was er in seinem
Leben zulässt. Er wartete noch kurz, dann stand auch er auf. Diesen Menschen werde ich nie
wiedersehen, sagte er sich und dachte anschließend an sein eigenes Leben, das er
kurz vorbeiziehen sah wie ein Reisender, der aus dem Fenster eines Zuges starrt,
während dieser ohne Halt durch die Landschaft rast. Und mit diesen Bildern
schritt er langsam nach oben, jetzt irgendwie aufgeregt, aber doch zufrieden,
seit langem fühlte er sich ein klein wenig versöhnt mit der Welt, trat dann ins
Schlafzimmer, stellte sich vor die Kommode und den ausgezogenen Schubladen und
betrachtete seelenruhig und wenig überrascht die geöffnete Schatulle, aus der
sein Erspartes und die goldene Uhr fehlten, weil er auf seiner Polthrone
verweilt und über den Lauf der Dinge nachgedacht hatte, aber auch darüber, dass
das Leben manchmal mehr ist, als eine Einbahnstraße, wenn man nur Vertrauen hat
und zulässt, was das Leben mit einem vorhat.