Gäste


Weil sie selbst einst auch eingeladen waren, stand nun die Folgeeinladung an, die für gewöhnlich gerne ausgesprochen wird, im genannten Fall aber einer Pflichterfüllung gleichkommt, aufgrund völlig unterschiedlicher Lebenshaltungen. Es klingelt, Empfang und Grüßen. Einlass ist nicht nötig, die Gäste suchen sich selbst den Weg nach oben, sich freizügig bewegend. N. und seine Frau laufen hinterher wie Touristen an einem fremden Ort hinter ihrem Führer. Der Gast, glaubt man seinen Ausführungen, ist äußerst erfolgreich, und abendfüllend damit beschäftigt, dies zu erwähnen, sich breit machend und ausladend sitzend, wie ein ungezogener Jüngling, der die Grenze zwischen unterhaltsam wirken wollen und aufdringlich provozieren noch nicht kennt. Den Wein schenkt er sich selbst ein. Seine Begleitung scheint ihm völlig untergeordnet zu sein, sonnt sich in seinen Worten und wenn sie was sagt, hört man die Dummheit sprechen, die nötig ist, um an seiner Seite zu sein. Der Abend dauert an, das Zuhören fällt immer schwerer, der Alkohol betäubt. Die Arroganz, die nicht nachvollziehbare Herkunft seiner Selbstsicherheit und die Zurschaustellung derselben, N. steht auf und räumt den Tisch ab, seiner Frau zuvorkommend und sie zum Zuhören verdammend. N. wird zunehmend nervös, will, dass sein Gast aufhört zu reden, seine Stimme, ein unerträgliches Echo in N.s Kopf. Er nimmt das Fleischmesser, das vor ihm in der Küche liegt, versteckt es hinter seinem Rücken und geht zum Tisch, nähert sich von hinten, greift mit einem Arm um den Kopf seines Gastes, ihn an der Stirn festhaltend, mit der anderen Hand drückt er ihm die Klinge an den Hals. Von oben starrt N. in verschreckte Augen. N. lacht jetzt laut, weil sein Gast nun endlich still ist, wie entblößt dasitzt, nichts mehr übrig ist von dem Gefühl der Weltherrschaft. Jetzt ist es N. der bestimmt, was sein Gast zu fühlen und wie er sich zu benehmen hat. N. grinst, dann wird es für Sekunden ganz still, nur ein leises Wimmern der dämlichen Frau zu seiner Linken ist noch zu hören. Mit Schwung reißt N. das Messer nach rechts, die Klinge schneidet sich ins Fleisch und dem Gast die Kehle durch, das Blut spritzt auf den Tisch, unaufhörlich aus der offen klaffenden Wunde am Hals rinnend. Ruhig atmend legt N. das Messer ins Waschbecken, lächelt in sich hinein, geht zurück an den Tisch, setzt sich neben seine Frau, ihre Hand haltend und irgendwie erlöst lächelnd, und hört wieder zu, mit etwas mehr Distanz und dem Gefühl, dass es egal ist, was sein Gast sagt, N. könnte es ja jederzeit beenden, wenn er möchte.